Boneheads - Jenseits der Khom

 

Goliath

Elgor fühlte sich nicht besonders, als er von Sunkar, der ihn mit seiner kräftigen Pranke an den Haaren gefasst und von der Theke aufs kalte Pflaster gerissen hatte, bäuchlings über den Boden nach draußen geschleift wurde. Die johlenden Männer um ihn herum überboten sich gegenseitig darin irrwitzig hohe Wetten auf den Ausgang des Kampfes abzuschließen. Nicht ein einziger wettete für ihn, und wenn Elgor Sunkar, den Bezwinger des einäugigen Bären so ansah: Er hätte es auch nicht getan.

Sunkar war nicht nur groß, muskelbepackt und schwer - er sah auch aus wie ein richtiger Schläger: Seine Nase war platt und vernarbt, sein Kinn war mindestens einmal gebrochen. Ein Auge stand sperrangelweit offen, das andere war halb zusammengewachsen. Und es nässte ununterbrochen. In seinem pechschwarzen Bart gab es zahlreiche verkohlte Stellen, wo ihm wohl schon mal eine Fackel ins Gesicht gestossen wurde, sein Gang war schlurftend und stampfend, und wenn Sunkar lachte, "Höhöhöhö", konnte man die Zähne zählen, die als schwarze-braune Stumpen in seinem Mund blitzten.

Und während Elgor sich noch vorstellte, welche eine Figur dieser unförmige Riese in der feinen Seidenweste abgeben würde, die er selbst trug, "nicht auszudenken, kein Stil und schon gar keine Finesse", wurde er sich bewußt, dass, wenn Sunkar nur einmal ausholte mit seinen gewaltigen Fäusten, er selbst sicher bald nicht anders aussehen würde.

"Na los, du Wurm!", murmelte Sunkar nachdem er Elgor wie einen nassen Sack auf die Straße geworfen hatte, "zeig mir was du kannst, du Seidenschwuchtel." "Also Moment", sagte Elgor, der immer sehr darauf achtete auch in den unmöglichsten Situationen Fassung zu bewahren, "Seide ja, Schwuchtel nein!" "Häh?", grunzte Sunkar und kratzte sich am Kopf, "was?" "Ich sagte: Seide ja, Schwuchtel nein!", wiederholte Elgor, der neuen Lebensmut spürte und ständig Ausschau hielt nach einer Lücke im Kreis der ihn umringenden und begaffenden Kneipenbesucher. "Seide ja, Schwuchtel nein?", murmelte Sunkar, "was soll das denn heißen?" "Hau drauf Sunkar!", "Laß dich nicht belabern, Bärenbezwinger!", riefen die Umstehenden und reckten die Fäuste.

"Auch feine Unterschiede sollte man beachten", sagte Elgor, der Sunkars verwirrt zuckenden Augen beobachtete. "Ach was!", schnaubte Sunkar, der sich wieder gefasst hatte, "du willst mich wohl belabern, oder wie?" Er rückte sein Bärenfell zurecht und grollte, "Typen wie die dich, die schlinge ich unzerkaut vor dem Frühstück hinunter!" Dann streifte er die verfilzten Ärmel seines Hemdes nach oben, liess die Unterarmmuskeln zucken und ballte eine ehrfurchtgebietende Faust. Elgor, der seine Chancen schwinden sag, sich hier durch einen intellektuellen Disput herauswinden zu können, duckte sich, hielt sich beide Augen zu und rannte mit voller Wucht dem Bärenbezwinger entgegen.

 Stefan Krämer, 06.02.2001 weiter
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