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Einhörner

Mit offnenem Mund starrte sie ihrer drohenden Bestrafung entgegen. Genau kann ich nicht mehr sagen, ob es meine Worte oder der fliegende Lehmklumpen war der sie in Bewegungslosigkeit hat erstarren lassen. Auch kann ich nicht genau sagen warum ausgerechnet jetzt Motorik und optisches Erfassen bei mir so gut zusammenarbeiteten.

"Fummp". Ein dummpfes klatschen wurde von dem Lehmklumpen erzeugt, als seine Flugbahn jäh durch Claras Stirnfläche unterbrochen wurde. Clara hatte Mühe die Balance zu halten. Sie fing an zu torkeln. Die Handtasche schlug wild in der Luft herum. Nicht sehr zuträglich für Claras Gleichgewicht. Ein Schritt nach hinten. Wildes wedeln der Arme. Noch ein unbeholfener Schritt tastete vergebens nach dem festen Untergrund der Straße. Das war zu viel für Ihr Gleichgewicht. Ungewollt, aber irgendwie aus mitfühlend mit dem was jetzt folgte schloß ich die Augen und wartete auf den Aufprall. Ein kurzer Aufschrei ließ meine Neugierde über das Mitgefühl siegen und ich öffnete die Augen.

Auf der anderen Seite ragten ein Paar Damenschuhe in die Höhe. Die Beine die dazu gehörte verschwanden im Straßengraben. Ich machte ein paar Schritte in Richtung der Schuhe. Als ich Clara komplett zu Gesicht bekam mußte ich kurz überlegen ob ich den Anblick komisch finden sollte oder ob ich tiefes Mitleid haben sollte. Da lag eine Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, zusammengefaltet wie ein Klappmesser, die Beine gen Himmel gestreckt und einem fetten Lehmklumpen auf der Stirn im Straßengraben vor mir.

Ich hatte es zwar versucht, aber ich konnte das immer stärker werdene Grinsen in meinen Mundwinkel nicht unterdrücken. Clara schaute ihn meine Richtung und da konnte ich nicht mehr. Dieser tieftraurige, aufgesetzte Blick lies mir keine Wahl. Lauthals brach ich in Lachen aus.

 Jens Hofschröer, 17.09.2001 weiter
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